Da wieder zunehmender Wind angesagt ist, heisst es 5:00 Uhr aufstehen. Eine halbe Stunde später laufen wir bereits aus Richtung Fehmarn-Brücke oder Sonnenaufgang. Unter der Brücke kommt uns Wind und Strom entgegen: Unter ziemlich Voll"gas" quält sich Tiny mit knappen 3 kn gegenan. Glücklicherweise bleiben die Wellen um diese Zeit noch moderat.
Dann können wir etwas abfallen und direkten Kurs auf Wismar legen. So geht es mit halbem Wind und 2 Reffs parallel zu den Wellen immer noch mit 6 kn quer über die Lübecker Bucht. Mit einem zweiten Segeler mit offenbar gleichem Ziel können wir gut mithalten.
Dann müssen wir das Fahrwasser queren, dank AIS wissen wir aber, ob wir die zunächst am Horizont auftauchenden aber dann schnell grösser werdenen Ozeanriesen (sie sind min. drei Mal so schnell wie wir) ausweichen müssen oder nicht. Einer aus der Lübecker Bucht aber wird und wird nicht grösser und liefert auch kein AIS-Signal. Irgendwann ist klar: Das ist das Hotelhochhaus am Timmendorfer Strand im Morgensonnenlicht ("fest vor Anker").
Später lässt der Wind nach und wir schütten unsere Reffs aus. Jetzt hat die mitsegelnde Konkurrenz allerdings keine Chance mehr. Sie bleibt schnell achteraus und wir rauschen nun mit 7 kn Wismar entgegen.
Allerdings wird es in der Wismarer Bucht dann wieder richtig windig, sodass wir Segel um Segel streichen und schliesslich unter Motor (und Pött-Pött) in den Westhafen von Wismar einlaufen.
Da bleiben wir jetzt rund eine Woche bist wir die ganze Verwandtschaft begrüsst haben.
Wismar (Weltkulturerbe) ist Hansestadt und gut wieder hergerichtet. Wir flanieren nun auf und ab, kreuz und quer durch Wismar.
Heute kommt eine Frau mittleren Alters ans Boot: Sie möchte gern Pitiplatsch (ein Stofftierchen) auf unseren Klappsitzen fotografieren. Ob wir wüssten, wer Pitiplatsch sei? "Eine Koseform von Peter" entgegne ich.
"Nee", versetzt die DDR-Nostalgikerin, "das ist das Sandmännchen". "Ahh - Sandmann lieber Sandmann. es ist noch nicht so weit" fange ich an zu singen. "Ja genau" sagt sie und drückt dem braunen Pitiplatsch auf den Bauch: Schon ertönt der
Kinderchor des DDR-Sandmann-Liedes.
Auf meine Belehrung, dass es da grosse Unterschiede zum Sandmann des Westfernsehens gibt, geht sie nicht weiter ein. Dabei hätte ich ihr doch gern klar gemacht, dass im Ostfernsehen-Text die Kinder sich gegen das Erscheinen des Sandmanns wehren (revolutionäre Erziehung), dagegen im Westfernsehen werden die
Kinder vom Sandmännchen eingeladen, noch eine kleine Geschichte mit in die Nacht zu nehmen.
Ich durfte als 7 Jähriger abends bei der Nachbarin - sie hatten schon einen Fernseher - immer erst das Ost-Sandmännchen und anschliesend das West-Sandmännchen sehen (je 5 min). Das West-Männchen mochte ich viel lieber!